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Erscheinungsbild adulter Gänse
Charakteristische Merkmale der Kanadagans sind der schwarze Kopf und Hals und das ausgedehnte weiße Kinnband, das sich von der Kehle bis hinter die Augen erstreckt. Die schwarze Halsbefiederung ist scharf gegen die graue Brust abgesetzt. Füße und Schnabel sind ebenfalls schwarz. Die Iris ist dunkelbraun. Weibchen und Männchen sind gleich gefärbt, bei einigen Unterarten sind die Ganter deutlich größer und langhalsiger als die Weibchen.
Die Färbung der Körperoberseite variiert je nach Unterart zwischen Grau- und Rotbraun. Die oberen Schwanzdecken sind bei den in Europa vorkommenden Gänsen ebenso wie der Bauch und die Brust grau bis fast weiß, die Körperoberseite graubraun. Bei einigen der in Nordamerika zu beobachtenden Unterarten ist auch die Körperunterseite bräunlich gefärbt und damit so dunkel wie die Flanken.
Die Körperlänge der Gans beträgt 90 bis 100 Zentimeter, die Flügelspannweite 160 bis 175 Zentimeter. Das Gewicht variiert erheblich. Männchen wiegen in der Regel zwischen 3,5 bis 6,5 Kilogramm, während die Gewichtsspanne der Weibchen zwischen 3,0 und 5,5 Kilogramm liegt. Von der Unterart Branta canadensis maxima wird ein maximales Gewicht von 7,5 Kilogramm berichtet.
Erscheinungsbild der Jungvögel
Das Dunenkleid der Küken hat einen gelblichen bis grüngelblichen Farbton, der je nach Unterart variiert. Bei allen Unterarten ist die Kopfplatte, die Augengegend und der Rücken sind olivgrün. Die Stirn, das Gesicht und der Hals sind grünlich-gelb. Bei frisch geschlüpften Dunenküken ist der Schnabel schwarzgrau mit einem hellen Nagel. Beine, Füße und Schwimmhäute sind dunkel olivgrau. Die Iris ist blass blaugrau. Bei flüggen Jungvögeln ist der Schnabel vollständig schwarz. Füße und Beine weisen die olivgraue Farbe auf, wie sie auch bei adulten Kanadagänsen charakteristisch ist. Die Schwimmhäute sind dunkler als die Füße und Beine.
Das Gefieder der Junggänse gleicht denen der adulten. Die Rücken- und Schulterfedern sind bei ihnen allerdings noch stärker gerundet und haben einen breiteren braunen Saum. Die Bauchseite ist verwaschen bräunlich grau.
Lebensraum
Kanadagänse benötigen Reviere, zu denen Gewässer von mittlerer bis großer Größe gehören. Diese haben eine Gewässertiefe von mindestens einem Meter und weisen idealerweise auch Inseln auf. Voraussetzung für die Etablierung eines Brutreviers ist ein unmittelbar an das Gewässer angrenzendes Gebiet, auf dem die Gänse weiden können, sowie ein weitgehend ungestörtes Areal, auf dem die Nester gebaut werden können. Kanadagänse legen ihre Nester auf festem Grund an und bevorzugen Stellen, von denen aus der brütende Vogel das angrenzende Gebiet gut beobachten kann. In Nordamerika findet man deshalb häufig Nester auf den Bauten von Bisamratten.
Reviere, die diese Voraussetzungen bieten, sind in Europa vor allem Parks, parkähnliche Gelände oder Weidegebiete, die an Seen angrenzen. Die Art hat sich dabei stärker als in Nordamerika einem Leben in einer landwirtschaftlich stark genutzten Landschaft angepasst. In Nordamerika ist die Gans an den Flüssen und Seen bewaldeter und offener Landschaften zu finden.
Die Anforderungen an das Überwinterungsrevier sind weniger spezifisch. Die Gänse halten sich in dieser Zeit sowohl an der Küste als auch im Binnenland auf Stoppelfeldern und Grasland auf.
Fortpflanzung
Abgesehen von der Paarungs- und Brutzeit leben Kanadagänse in großen Schwärmen. Kanadagänse gehen normalerweise langjährige Paarbindungen ein. Die Verpaarung erfolgt in der Regel bereits im zweiten Lebensjahr, obwohl die Gänse erst im dritten Lebensjahr erfolgreich brüten.
Balz- und Paarungsverhalten
Das Paarungsverhalten der Kanadagänse unterscheidet sich nicht wesentlich von dem anderer Gänsearten. Das Männchen leitet das Balzverhalten ein, in dem er auf das ausgewählte Weibchen mit stark nach unten gebogenen Hals zuschwimmt. Bei diesem Imponierverhalten berührt die Schnabelspitze die Brust des Ganters. Auch wenn das Weibchen Paarungsversuche des Ganters zu diesem Zeitpunkt noch zurückweist, beginnt das Männchen bereits in diesem Stadium das Weibchen gegen andere Ganter zu verteidigen. Nach erfolgreichem Vertreiben eines anderen männlichen Konkurrenten zeigt das Männchen ein Triumphverhalten, bei dem er seitlich neben dem Weibchen schwimmt. Teil des Triumphverhaltens ist ein lautes Rufen, in dem das Weibchen einstimmt, wenn es an dem Männchen interessiert ist. Das gemeinsame Triumphieren spielt im Paarbindungsverhalten von vielen Gansarten eine so wesentliche Rolle, dass das Männchen auch imaginäre Kontrahenten vertreibt, um das gemeinsame Triumphieren einzuleiten. Erst nachdem ein gemeinsames Triumphieren erfolgte, "grüßt" eine Gans den Ganter: Schwimmt der Ganter in Imponierhaltung auf die Gans zu, reagiert sie darauf ebenfalls mit einer stark gebogenen Halshaltung. Dabei liegt der Schnabel gleichfalls auf der Brust auf; unterbrochen wird diese Haltung durch ein gelegentliches Eintauchen des Kopfes ins Wasser. Erst danach kommt es zu Paarungsversuchen, die sowohl durch das Männchen als auch das Weibchen eingeleitet werden können. Wie die meisten anderen Gänsevögel paaren sich Kanadagänse in der Regel auf dem Wasser. Der Paarung voraus geht ein schnelles Eintauchen des Kopfes in das Wasser, das von beiden Geschlechtern gezeigt wird. Dieses Eintauchen intensiviert sich in einem Zeitraum von 30 Sekunden bis zwei Minuten. Der Ganter schwimmt dabei immer näher an die Gans heran und verbeißt sich normalerweise ins Nackengefieder der Gans, wenn er sie besteigt. Unter dem Gewicht des Ganters taucht die Gans dabei fast unter. Während der Paarung spreizt die Gans ihre Schwanzfedern nach oben und bewegt ihren hinteren Körperteil hin und her, um eine Berührung der beiden Kloaken zu ermöglichen. Nach erfolgter Kopulation streckt der Ganter Hals und Kopf und stößt einen kurzen Ruf aus. Dabei breitet er seine Flügel kurz aus.
Homosexuelle Paarbeziehungen
In einigen Populationen sind bis zu zwölf Prozent der Paare homosexuell. Sowohl Weibchen als auch Männchen formen gleichgeschlechtliche Paare. Untersuchungen an Einzelpopulationen zeigten, dass achtzehn Prozent der Männchen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen lebten, während die Zahl bei den Weibchen zwischen sechs und zwölf Prozent schwankte. Diese Paare zeigen dasselbe Balzverhalten wie heterosexuelle Paare. Kopulationen sind bei ihnen allerdings weniger häufig zu beobachten.
Brut und Jungvögel
Das Weibchen bestimmt die Stelle, an der das Nest errichtet wird. Es handelt sich dabei häufig um nicht mehr als eine flache Erdmulde, die mit wenigen Pflanzenteilen gegen die Umgebung abgegrenzt wird. Sie wird jedoch überreichlich mit Daunen ausgestattet. Für die Kanadagans ist experimentell eine große Standorttreue nachgewiesen. Migrierende Gänse kehren in die Gebiete zurück, in denen sie selber flügge geworden sind.
Kanadagänse legen gewöhnlich zwischen fünf und sechs cremeweiße Eier. Es wurden aber auch schon Gelege mit zwei oder 11 Eiern beobachtet. Bei den großen Unterarten messen die Eier 87 x 58 Millimeter; bei den kleineren Unterarten 72 x 48 Millimeter. Es brütet allein das Weibchen. Das Männchen hält sich jedoch in der Nähe des Nestes auf. Nach durchschnittlich 28 Tagen schlüpfen die jungen Gänse. Das Durchschnittsgewicht frisch geschlüpfter Gössel britischer Populationen beträgt etwa 115 Gramm. Nach etwa 60 bis 70 Tagen erreichen die Gössel ihre Flugfähigkeit. Insbesondere der Ganter verteidigt sowohl die Gans und das Gelege, später die Gössel gegen Eindringlinge in das unmittelbare Brutrevier ausgesprochen aggressiv. Bei Kanadagänsen ist dabei die innerartliche Aggression stärker ausgeprägt als gegenüber anderen Störern.
So greifen Ganter eine sich dem Nest nähernde andere Kanadagans bereits dann an, wenn sie die 30-Meter-Distanz unterschreitet. Graugänse werden dagegen in größerer Nähe geduldet und erst angegriffen, wenn sie sich dem Nest mehr als 15 Meter nähern.
Mit der Brutzeit fällt auch die Mauser der Elternvögel zusammen. Die Schwingenmauser der Elterntiere beginnt in der Regel, wenn die Gössel zwischen drei und fünf Tagen alt sind. Wie eine Vielzahl der Arten der Gänsevögel sind auch Kanadagänse dann für einen vier- bis fünfwöchigen Zeitraum flugunfähig. Die Wiedererlangung ihrer Flugfähigkeit fällt zeitlich mit dem Zeitpunkt zusammen, zu dem auch ihr Nachwuchs flugfähig wird. Meist bleiben die Jungtiere bis zur nächsten Brut mit den Elterntieren zusammen und sind auch später oft bei diesen anzutreffen.
Ernährung
Kanadagänse leben im Sommer überwiegend von Gräsern, Sumpf- und Wasserpflanzen. Ähnlich wie die Grau- und Ringelgans weiden sie regelmäßig auch Unterwasserpflanzen ab. Der Körper liegt dabei in der Regel horizontal auf der Wasserfläche, während Kopf und Hals tief untergetaucht sind. Ihre Reichweite unter Wasser können Kanadagänse deutlich vergrößern, indem sie ihren Hinterkörper aus dem Wasser heben. Ihre Balance halten sie in diesem Kopfstand mit zum Teil sehr starken Paddelbewegungen der Füße. Sie erreichen dann auch noch Wasserpflanzen in einer Gewässertiefe von 75 Zentimetern.
Im Winter äsen sie bevorzugt am Land. Sie bevorzugen dabei Landschaftsbestandteile mit kurzen Gräsern und Kräutern, die ihnen ein weites Sichtfeld geben. Ihr natürlicher Lebensraum ist deshalb auch von großen Pflanzenfressern – sogenannten Megaherbivoren – geprägt.
Wanderungen
Die Kanadagans kommt fast im gesamten Nordamerika vor, die südlicheren Regionen nutzt sie dabei nur als Überwinterungsquartier. Die Wanderungsrouten der Kanadagans sind dabei nicht genetisch fixiert, sondern werden in den verschiedenen Teilpopulationen tradiert. Junge Gänse erlernen erst während des Zuges mit ihren Elternvögeln den Wanderweg und die Lage der Winterquartiere. Einige der südlicheren Teilpopulationen sind Standvögel oder Teilzieher; die nördlicheren dagegen ausgesprochene Zugvögel. Die nördlicheren Populationen "überrollen" teilweise während des Zuges die in der Nähe der Brutreviere verbleibenden südlichen Populationen und halten sich während des Winterhalbjahres deutlich weiter südlich auf als diese.
Lebenserwartung und Fressfeinde
Der Virginia-Uhu erbeutet vor allem junge Kanadagänse. Ausgewachsene Gänse vermag er in der Regel nicht zu schlagen.
Der bisherige Rekordhalter unter den Kanadagänsen erreichte ein Lebensalter von 33 Jahren. Es handelte sich dabei um eine in Gefangenschaft gehaltene Gans. In freier Wildbahn sterben Kanadagänse in der Regel deutlich früher. Über ihr maximales Lebensalter liegen nur wenige Daten vor. Kanadagänse, die in freier Wildbahn älter als zwölf Jahre werden, dürften jedoch die Ausnahme darstellen. Nach amerikanischen Untersuchungen liegt die jährliche Mortalitätsrate bei ausgewachsenen, standorttreuen Kanadagänsen bei etwa 10 %. Bei den Gänsen, die sich im Sommer dagegen auf den Mauserzug begeben und nach Norden migrieren, liegt die Mortalitätsrate bei 23 %. Die Zusammensetzung dieser beiden Gruppen ist jedoch nicht identisch – auf den Zug nach Norden begeben sich junge, nicht erfahrene Gänse sowie solche, die nicht zum Brüten kamen. Bei letzteren kann eine durch Krankheit und Alter geschwächte Verfassung die Ursache für den ausbleibenden Bruterfolg sein, der auf dem Zug in die Mausergebiete auch zu einer höheren Sterblichkeit führt.
Ausgewachsene, gesunde Kanadagänse werden nur sehr selten durch Fressfeinde geschlagen. Kanadagänse sind wachsame und wehrhafte Vögel, die sich normalerweise jeder Annäherung von potentiellen Fressfeinden durch Flucht entziehen. Es sind daher eher geschwächte, kranke Gänse, die vorwiegend in der Nacht von Raubsäugern wie Rotfuchs, Wolf oder Kojote geschlagen werden. Tagsüber fallen solche Gänse auch großen Greifvögeln wie etwa dem Weißkopfseeadler zum Opfer. Einfluss auf die Populationsgröße haben eher Klimabedingungen, die das Nahrungsangebot negativ beeinflussen. Nach harten Wintern sind die Gänse häufig in so schlechter körperlicher Verfassung, dass dies ihren Bruterfolg erheblich mindert. Mangelndes Nahrungsangebot in den Gebieten, in denen die Vögel sich zum Mausern einfinden, kann im Extremfall zum Hungertod der Vögel führen oder ihre Fitness so negativ beeinflussen, dass sie den Winter nicht überstehen. Ihre fehlende Flugfähigkeit in dieser Zeit bedingt, dass sie nicht in der Lage sind, bessere Nahrungsgründe aufzusuchen. Protozoen scheinen Kanadagänse besonders häufig zu befallen. Diese Blutparasiten können insbesondere bei Jungvögeln eine hohe Sterblichkeit verursachen.
Die jungen Gänse sind einem höheren Druck durch Fressfeinde ausgesetzt. Nach einzelnen Untersuchungen sterben 2,9 Prozent der Gössel in ihren ersten fünf Lebenswochen. Das ist im Vergleich zu Enten wie etwa der Stockente sehr niedrig und darauf zurückzuführen, dass Gans und Ganter die Gössel bewachen und verteidigen. Ein Gänsepaar kann gemeinsam den Angriff von Raubsäugern auf ihre Brut in der Regel erfolgreich abwehren. Die Abwesenheit eines der Elternvögel erhöht jedoch die Erfolgschancen von Prädatoren deutlich. Ungünstige Wetterverhältnisse haben dagegen einen stärkeren Einfluss auf die Überlebenschance des Nachwuchses. Je höher die Niederschlagsmenge in den ersten Wochen nach dem Schlupf ist, desto weniger Junggänse überleben die ersten drei Monate.